Am Anfang steht der Geist. Nicht der Heilige Geist, sondern die Thesen des Theologen Magnus Striet. Professor Karl-Heinz Menke hat sie unter die Lupe genommen:

„Die Wurzel der Spaltung“ ist für Striet lt. Menke „die Abschottung angeblich verbindlicher Wahrheit gegen die Ergebnisse der historischen und empirischen Wissenschaften und gegen den argumentativen Diskurs einer demokratisch-organisierten Gesellschaft“. Striet sei überzeugt: „Solange das Lehramt den Anspruch erhebt, bestimmte Entscheidungen als unfehlbar und irreversibel zu bezeichnen, ist die katholische Kirche noch immer nicht in der Moderne angekommen“.

„Katholizismus im Umbruch“ wollen die Papiere des „Synodalen Prozesses“. Sie verwenden den „libertarischen Freiheitsbegriff“. Er bestimmt seine Inhalte selbst. Das sei, so Striet, kein Relativismus „denn wer frei sein will, gewährt auch jedem anderen die Freiheit, die er von ihm erwartet“. Das wird aber von „keiner Instanz, wie Natur, heilige Schrift oder Lehramt bestimmt“, sondern es handelt sich lt. Striet um Argumente „die eine demokratisch ermittelte Mehrheit überzeugen … Dogmen und Normen sind historisch bedingt und also revidierbar, das konfessionelle Zeitalter ist zu Ende“. Dieser libertarische Freiheitsbegriff hat, lt. Menke „viele Theologen, kirchlich bezahlte Funktionsträger und nicht zuletzt die deutschen Bischöfe eingefangen, die päpstliche Weisungen und Verlautbarungen in Frage stellen oder praktisch unterlaufen … aber die katholische Kirche ist keine Demokratie, ihr Fundament ist Jesus Christus“, so der Artikel „Der theologische Graben der Reformdebatte“ in Vatikan Magazin, Juni 2022.

Bischof Voderholzer sagt „Menke hat … zurecht darauf hingewiesen, dass sich in der theologischen Landschaft Deutschlands zwei Richtungen mehr und mehr unversöhnt gegenüberstehen,“ das „libertarische Freiheits- und das kompatibilistische (kompatibel-vereinbar) Freiheits- und Wahrheitsverständnis. Der kompatibilistische Ansatz geht davon aus, dass der menschlichen Vernunft eine Wirklichkeit, und im Falle des christlichen Glaubens, eine göttliche Offenbarung gegenübersteht, der zu entsprechen, der zu antworten die menschliche Freiheit nicht aufhebt, sondern erst zu sich bringt“ …

Voderholzer weiter: „Die Vertreter der kompatibilistischen Richtung waren von Anfang an in den Foren (des Synodalen Prozesses) in der verschwindenden Minderheit. Es war höchstens möglich, noch kosmetische Verbesserungen einzutragen, aber die Grundrichtung stand fest“, so Die Tagespost, (22.9.22, S. 9). Bischof Voderholzer sieht das besondere theologische Problem darin, dass „Die ersten Bezugsgrößen für die Erschließung des Glaubens – heilige Schrift und Apostolische Tradition – nicht zu ersetzen sind durch die »Zeichen der Zeit« und durch eine »Lebenswirklichkeit«, um Lehrentwicklung bzw. sogar Brüche zu begründen“. Voderholzer: … „viel grundlegender ist folgendes Problem: das unterschiedliche Wahrheitsverständnis. Wenn man sich nicht auf dieser Ebene verständigt, wird man kein vernünftiges theologisches Gespräch mehr zustande bringen“ (Die Tagespost, 6.10.22, S. 12).

Wer kann sich eine Gesinnungsänderung bei Bischof Bätzing und seinen Gefolgsleuten noch vorstellen?

  • Wenn der im Schreiben von Papst Franziskus an das „Pilgernde Volk in Deutschland“ geforderte Primat der Evangelisierung, der sensus ecclesiasticus und die Einheit mit der universalen Kirche, vom „Synodalen Prozess“ missachtet wird?
  • Wenn die Einwände von Bischöfen aus Polen, Skandinavien, USA, Kanada, Australien, Japan und weiteren asiatischen Ländern als inkompetent weggeschoben werden?
  • Wenn das Schreiben des Hl. Stuhls: „Der Synodale Weg in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtung der Lehre und Moral zu verpflichten“ ignoriert wird und bereits die Synodalräte für die Diözesen vorbereitet werden?
  • Wenn die Synodenmehrheit die endgültige Lehre, „Dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“, nicht akzeptiert und die Endgültigkeit dieser Lehre bestritten wird?
  • Wenn das Grußwort des Apostolischen Nuntius zur Herbstversammlung 2022 der Bischöfe, das den Inhalt einer Synode und die Gefahren, die durch Parlamentarismus, medialen Druck, sowie durch namentliche Abstimmung davon ausgehen, klar legt und die Mehrheit der Bischöfe das nicht zum Thema macht?
  • Wenn die Synodenmehrheit ein „Wahrheits- und Freiheitsverständnis“ zeigt, das einer Diktatur des Relativismus gleicht. Dann werden wir George Weigel zustimmen müssen, „Was sich in Deutschland abspielt, ist weniger ein »Schisma« als ein Glaubensabfall: Eine Weigerung an die Autorität und bindende Kraft der göttlichen Offenbarung zu glauben … Der einzige »Fortschritt«, den dieser Glaubensabfall ermöglicht, ist jedoch der Fortschritt in Richtung kirchliches Nichts“ – so die Tagespost vom 6.10.2022 auf S. 17.

Auf die Frage von Regina Einig: „Im November reisen Sie zum Adlimina-Besuch nach Rom … was erwarten Sie?“ Voderholzer: „Die Frage wird sein, wie Rom sich zu den Inhalten verhält. Der Papst selbst hat sich mehrfach eindeutig zu den Inhalten geäußert. In seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland hat er … die Punkte »Primat der Evangelisierung«, »sensus ecclesiae« und »Einheit mit der universalen Kirche« unterstrichen … der Nuntius in Deutschland (hat) in seinem Grußwort (zur Herbstkonferenz der Bischöfe 2022) wesentliche Punkte bzgl. der Frage, was Synodalität gefährdet, benannt: Methoden des Parlamentarismus, medialer öffentlicher Druck, namentliche Abstimmungen“ (Die Tagespost, 6.10.22, S. 12).

Clemens Neck berichtet nach drei Tagen „Synodaler Weg“ in Frankfurt: „Zur Endgültigkeitsprüfungsbitte an Rom, wurde der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing in der Abschluss­pressekonferenz befragt. Werde er die Frage der Frauenordination als endgültig entschieden betrachten, wenn eine entsprechende römische Antwort vorliege? Der Bischof schüttelte mit nachdenklicher Miene den Kopf. Nein, das könne er nicht, antwortete er. Denn dem Wirken des heiligen Geistes dürfe man keine Grenzen setzen“.

Bischof Georg Bätzing akzeptiert demnach nicht mehr eine endgültige Entscheidung zu einer endgültigen Lehre der Kirche.