Wir leben in unsicheren Zeiten. Niemand kann garantieren, wie es in Gesellschaft, Politik oder auch in der Kirche weitergehen wird. Was auf uns zukommen kann darf uns dennoch nicht überraschen, weil wir die Garantie vom Herrn haben: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“! Wir sollten aber zum Realismus zurückkehren, dass es keine menschlichen Sicherheiten gibt. Jesus erzählt uns die Geschichte von einem Mann, der meinte er hätte für einige Jahre vorgesorgt. Er wurde aber jäh aus seiner Sicherheit herausgerissen. Die Parabel lautet:

„Das Land eines Reichen warf üppigen Ertrag ab; Da überlegte er und sagte: Was soll ich nun tun? Es fehlt mir der Raum, um all meine Frucht aufzuspeichern! Und er sagte: So will ich’s machen: Ich will meine Scheune abbrechen und eine größere bauen, um darin meine ganze Ernte und meine Vorräte aufzuspeichern; Dann kann ich mir sagen: Nun, Seele, hast du einen reichen Vorrat an Gütern daliegen, auf viele Jahre! Ruhe dich aus, iss und trink und lass es dir wohl sein! – Gott aber sprach zu ihm: Du Tor, noch heute wird dir die Seele abgefordert!“ Lk 12. Kapitel 16-20

Es ist verständlich, dass wir uns absichern möchten z.B. gegen Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Unfälle. Gegen diese und noch andere Risiken gibt es Versicherungen. Aber diese Versicherungen schützen uns nicht wirklich vor Krankheit oder Unfällen etc.. Sie mildern allenfalls ihre Folgen ab.

Der Gutsbesitzer in der Parabel, die uns Jesus erzählt, hatte gewiss ein großes Gesinde und eine Menge Leute, die seine Befehle ausführten. Er hatte Macht über sie. Wenn aber diese Macht wegfällt gibt es auch die Sicherheiten, die damit verbunden sind, nicht mehr.

Von der Gefangennahme Jesu wissen wir, als er sich in die Hände der Knechte der Hohen Priester begeben hatte und scheinbar machtlos geworden war, liefen alle Jünger davon. Viele ehemals Mächtige haben schon ähnliche Erfahrungen gemacht. Heinrich Trimmel erzählt uns in seinem Buch „Gott erhalte – Biographie einer Epoche“ eine Episode vom Ende des ehemals mächtigen Habsburger Reichs:

„Ehe die Majestäten Schönbrunn verließen, gingen sie mit den Kindern auf den Chor der Schlosskapelle, um zu beten… Dann verließen die Majestäten zusammen mit ihren Kindern die leer gewordenen Räume. Die Türsteher, die Gardisten, die Gendarmen, die militärischen Posten, sie alle hatten sich davongemacht. Buben in Uniform aus der Militärakademie von Wiener Neustadt, keine vereidigten Soldaten, sondern begeisterte Jugend, stellten die letzten Wachen“.

Manche sehen auch die katholische Teilkirche in Deutschland als eine mächtige Institution an. Sie denken evtl. dabei an 24 Mio. registrierte Katholiken, an das Kirchensteueraufkommen von rund 5 Mrd. Euro, an die gewaltigen Ordinariats-Apparate, an die rund 700.000 kirchlichen Mitarbeiter, an mitgliederstarke Organisationen wie BDKJ, Katholischer Frauenbund, etc.. Nimmt man diese Quantitäten unter die Lupe, dann schrumpft dieser aufgeblasene Luftballon bis zur Unkenntlichkeit zusammen. Denn von den 24 Mio. Katholiken gehen am Sonntag weniger als 10% zur Kirche. Nimmt man den geforderten sakramentalen Mitvollzug hinzu – mindestens einmal im Jahr zur Beichte, das sind rund 1% – dann reduziert sich „diese Macht“ auf die Größe einer Sekte! Wie viele der Katholiken zur Kirche stehen, wenn Nachteile oder sogar Verfolgung mit der Mitgliedschaft verbunden sind, ist jedenfalls sehr unsicher. Tatsächlich handelt es sich um eine kleine Herde, die aber Licht auf dem Berg und Salz der Erde sein kann.

Wie eine klein gewordene Herde in der Gesellschaft dennoch Zeichen setzen kann, zeigt der Beitrag „Anregung der kleinen Herde“ in der Tagespost vom 9.4.2016. Ein junger Deutscher, der an der Universität Lyon studiert hat, schildert uns das. Er spricht zunächst von einer „kleinen Herde, die unsichtbar ist in einer Gesellschaft, die mit dem Christentum abgeschlossen hat“. Dann weiter: „allerdings durfte ich in den vergangenen drei Jahren einen Umschwung erleben, der bis heute nachwirkt. Gael Brustier, ein Soziologe, hat es denn ‚rückwärtsgewandten Mai 68“ genannt. Am 17. November 2012 fand in Lyon die erste Demonstration gegen das sozialistische Gesetzesvorhaben zur Homo-Ehe statt. Niemand hatte damit gerechnet, dass viele Leute kommen würden. Dieses Mal kam es anders und irgendwie waren alle, nicht nur die Politiker und Journalisten, sondern zuallererst die Katholiken selbst überrascht. Der Katholizismus lebte, er trat ohne Komplexe auf und trug erstmals einen Konflikt mit den Mächtigen aus. Motiviert durch das Engagement der Laien trauten sich endlich ein paar Bischöfe, ihre Meinung in den Medien und in einer vom Druck der Straße erzwungenen Anhörung vor einer Parlamentskommission zu äußern. Die symbolische Bedeutung dieser Auseinandersetzung ist nicht zu unterschätzen: Die ‚kleine Herde‘ lässt sich nicht einfach so in die Welt der politisch-medialen Eliten führen. Der politische Umgang mit der ‚Manif pour tous‘ (Demo für alle) entlarvte die Arroganz der Macht und enthüllte die ideologischen Scheuklappen der Medien. Auch wenn diese Massenbewegung das Gesetz nicht verhindern konnte, wurde deutlich, in welchem Ausmaß die vorgebliche Neutralität von Staat, Institutionen und Journalisten eine antichristliche Schlagseite hat.“