Katholiken sollten ihre Kräfte bündeln

 

Die Situation

Die religiös-kirchliche Situation in Deutschland löst bei manchen Katholiken eine „Endzeitstimmung“ aus. Der Zustand ist mit wenigen Worten charakterisiert: Nur mehr geringer Besuch der sonntäglichen Eucharistiefeier. Die Sakramenten-Praxis fällt beim Bußsakrament auf 1-2%. Letzteres wirkt sich auf die Bereitschaft zum Umdenken und zur Umkehr aus. Die Abwendung von der Kirche zeigt sich in Massenaustritten. Die Kirche verliert so binnen 5 Jahre eine Mio. Mitglieder. Die Corona-Pandemie macht die Lage unübersichtlich. Sie hat aber keineswegs zu größerem religiösem Eifer geführt. Hilfe erwartet man nicht von Gott, sondern von einem besseren Impfstoff.

In den letzten Jahren ist immer deutlicher geworden, dass die Gottesfrage in den Mittelpunkt gerückt ist, mit Fragen wie Gibt es einen Gott und wenn Ja, was hat er mit meinem Leben zu tun? Ein persönlicher Gottesbezug fehlt meist.

Ein jahrelanger Prozess, an den wir uns gewöhnt haben

Die Auszehrung des religiösen Lebens hält seit Jahrzehnten an. Josef Ratzinger hat schon 1958 festgestellt: „Die Statistik täuscht. Das dem Namen nach christliche Europa ist seit langem zur Geburtsstätte eines neuen Heidentums geworden, das im Herzen der Kirche unaufhaltsam wächst und sie von innen heraus auszuhöhlen droht… das Heidentum sitzt heute in der Kirche selbst“. (1)

Das neue Credo

Das Credo der Zeitgenossen ist der Relativismus: Alle Meinungen sind gleichgültig. Kardinal Ratzinger erläutert diese Geisteshaltung.

„Einen klaren Glauben nach dem Credo der Kirche zu haben, wird oft als Fundamentalismus abgestempelt, wohingegen der Relativismus, das sich >vom Windstoß irgendeiner Lehrmeinung Hin- und Hertreiben lassen<, als die heutzutage einzige zeitgemäße Haltung erscheint. Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt“. (2)

Wir haben das Fenster zur Welt weit geöffnet

Die Kirche in Westeuropa hat ihre missionarische Kraft verloren. Sie hat das Fenster weit geöffnet. Es geht aber kein vom heiligen Geist getragener Windstoß nach draußen, sondern der Weltgeist ist in das Innere gedrungen. Der Synodale Prozess zeigt das deutlich.

Wo sind wir angekommen

…Guido Horst drückt das mit unüberbietbarer Deutlichkeit aus: „Es geht ums Überleben: bleibt die katholische Kirche in Deutschland in der 2000jährigen apostolischen Nachfolge, übersteht sie eine ihrer größten Krisen (die der Missbrauchsskandale) in der Gemeinschaft mit dem Papst und dem Weltepiskopat, d.h. in dem unerschütterlichen Vertrauen darauf, dass es allein der Glaube an Jesus Christus und der von ihm zugesagte Beistand sind, die eine wahre Reform und die gebotene Umkehr zum allmächtigen Gott der Offenbarung möglich machen? Oder will sie sich selber kurieren… Entweder bleibt sie christuszentriert und apostolisch – oder sie verweltlicht und wird zu einem religiösen e.V“. (3)

Die sexuellen Missbrauchsfälle werden offiziell als Ursache für den „Synodalen Prozess“ angegeben. Tatsächlich wird der Missbrauch instrumentalisiert, um die nicht eingehaltene (!) Morallehre der Kirche zu relativieren und außer Kraft zu setzen.

Die Kirchenveränderer und die „streitende Kirche“ (ecclesia militans)

Wer steht hinter den Forderungen der Kirchenveränderer? Es sind die im ZdK zusammengeschlossenen Gemeinschaften und viele Katholiken im kirchlichen Dienst („Berufskatholiken“). Sie sind gut vernetzt. Sie haben Zugriff zu den finanziellen Mitteln und Apparaten der Kirche. Das erklärt die Mehrheiten von bis zu 80% bei den Abstimmungen für die „Reformen“. Ein Teil der Bischöfe sympathisiert mit den Forderungen. Das Fünftel der Synodenteilnehmer, das sich gegen die o.a. Forderungen stellt, ist die „streitende Kirche“ (ecclesia militans).

Der Zwist und die mangelnde Solidarität der Gläubigen

In der Verwirrung („was gilt eigentlich noch?“) und zur Uneinigkeit gläubiger Katholiken (z.B. „alte oder neue Messe“) hat uns Kardinal Walter Brandmüller aus Rom geschrieben …“Es ist also endlich an der Zeit, in einem historischen Augenblick, da Unglaube, Gotteshass, platter Materialismus beinahe allüberall auf die Kirche einstürmen, anstatt um die Liturgie zu streiten, die ewigen Wahrheiten des Glaubens, das Evangelium mit vereinten Kräften zu verkünden und gut zu leben“

Man könnte meinen, dass die gläubigen Katholiken, die zum Lehramt der Kirche stehen, bereit sind, wenigstens „punktuell“ zusammenzustehen gegen innerkirchliche Häresien und kirchenfeindlichen Strömungen in Gesellschaft und Politik. Sie haben heute Möglichkeiten, sich zu wehren und die Botschaft Christi in der Öffentlichkeit zu vertreten und zwar in den neuen Medien.

Die Situation ist hier eindeutig besser geworden. Die säkularen und die angepassten kirchlichen Medien haben kein Monopol mehr. Ich nenne Radio Horeb, das katholische Fernsehen KTV, EWTN und bonifatius-tv. Sie sind keine kirchlichen Gründungen, sondern Privatinitiativen von Pfarrer Kocher, Pfarrer Buschor, Schwester Angelika, Pfarrer Winkel. Ihre Sender wurden z.T. gegen kirchliche Widerstände etabliert. Sie finanzieren sich durch private Spenden und haben z.T. beachtliche Reichweiten. Sie sind die Nahrung für gläubige Katholiken, während „kirchliche“ Medien, wie KNA, katholisch.de und manche Kirchenzeitungen das Echo säkularer Medien, zumindest harmlos geworden sind.

Diese Medien stehen katholisch gebliebenen kirchlichen Gruppen zur Verfügung. Dass diese ihre Kräfte, auch zu punktuellen Anlässen, nicht bündeln hat andere Ursachen. Die Möglichkeit zu gemeinsamen Auftritten, sagen wir zu Minikatholikentagen, wird nicht in Erwägung gezogen. Warum ist das bisher nicht möglich geworden?

Vergebliche Versuche einer Kräftebündelung

Das „Forum Deutscher Katholiken“, das im September 2000 gegründet wurde, hat nach seinen Statuten das Ziel „Die Förderung der Verkündigung des katholischen Glaubens nach der Lehre der Kirche, entsprechend dem Katechismus der katholischen Kirche (Weltkatechismus) von 1992. Dieses Ziel soll erreicht werden durch die Sammlung und Aktivierung aller Gruppierungen und Einzelpersönlichkeiten und durch Kongresse und andere Veranstaltungen.“ Das gelang nicht.

Angefragte Gemeinschaften, die das Programm mitgestalten konnten, schützten ihr eigenes Jahresprogramm vor, das sie verständlicherweise vorbereiten und absolvieren wollten. Selbst wenn einige Vertreter anwesend waren bedeutete das keine Identifikation zu einem gemeinsamen Auftreten. Was zweifellos eine Rolle spielte war das Konkurrenzdenken. Es gibt auch das vorgeschützte nicht kompatible Charisma. So heißt es bspw.: „Wir haben bereits vor einigen Jahren entschieden, dass wir uns als Gemeinschaft nicht als Mitträger der Kongresse >Freude am Glauben< sehen. Wir denken, dass die Ausrichtung der Kongresse nicht unserer Weise, den Glauben zu teilen, entspricht“.

Man wird einwenden, es habe religiöse Großveranstaltungen, wie das vom Gebetshaus Augsburg organisierte, mit rund 10.000 Teilnehmern gegeben. Ein Teilnehmer, der dieses Treffen positiv (in „kirche heute“) gewürdigt hat, hatte dennoch zwei gravierende Einwände dagegen. Es war ein ökumenisches Treffen mit (geschätzt) rund 40% Protestanten und 60% Katholiken. Die Sakramente und die Bedeutung der Gottesmutter wurden nicht thematisiert. Bei der „sakramentalen, kirchlichen Dimension“ und dem „sakramentalen Auftrag der Kirche“ (Ziff 738-741; 1132) sowie der „marianischen Dimension der Kirche“ (Ziff 773; 775; 573) KKK ist das defizitär. Auch der Weltauftrag der Katholiken kam zu kurz: Eine Teilnahme, z.B. „Am Marsch für das Leben“ etc. spielte bei dem Treffen, die zu 99% Weltchristen sind, keine Rolle.

Von einem Diözesanbischof, der evtl. die Autorität hätte zu gemeinsamen Veranstaltungen einzuladen, kann heute nicht erwartet werden, dass er sich hinter bzw. vor einen alternativen Katholikentag stellt. Die Organisation eines gemeinsamen Kongresses benötigt einen organisatorischen Aufwand und finanzielle Mittel, die eine einzelne Gemeinschaft überfordert.

…In der Defensive innerkirchlich und gegenüber Politik und

säkularer Gesellschaft

Damit stehen die gläubigen Katholiken, um mit Kardinal Brandmüller zu sprechen, nicht nur innerkirchlich in der Defensive sondern auch gegenüber Politik und säkularer Gesellschaft: „Der >Feind< – eine zunehmend militant-atheistische Gesellschaft – berennt die Mauern, und Zwietracht in der Stadt öffnet ihm zudem die Tore!“ (4)

Wir stehen in einer Situation, in der die eingangs zitierte „Diktatur des Relativismus“ in Form der Genderideologie ausbreitet und die Menschenrechte gefährdet.

Judith Butler, die Hauptvertreterin der Genderideologie erklärt „Es gebe keine Binarität der Geschlechter, vielmehr sei das soziale Geschlecht („gender“) unabhängig vom biologischen Geschlecht („sex“) und frei wählbar; Es bestehe >Genderfluidity< also ein fließender, kontinuierlicher Übergang zwischen männlich und weiblich“ (5). Das ist der Gegenentwurf zu Genesis 1,26 und 1,27 „Dann sprach Gott: >Lasst uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich… So schuf Gott die Menschen nach seinem Bilde, nach Gottes Bilde schuf er sie, männlich und weiblich<“…

Diese Defensive gilt auch international. Am 24. Juni 2021 hat die EU Abtreibung als >Menschenrecht legalisiert< (Matic-Bericht): 378 votierten mit Ja, 255 mit Nein, 42 enthielten sich der Stimme. „Die Verweigerung von Abtreibung wird als eine Verletzung der Menschenrechte und eine Form der auf Gender basierende Gewalt, die das Recht von Frauen und Mädchen auf Leben, körperliche und geistige Unversehrtheit, Gleichberechtigung, Nichtdiskriminierung und Gesundheit beeinträchtigt gewertet“ (6)

„Nur den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unseren

Häuptern aufzuhalten…“ (Reinhold Schneider)

Katholiken können angesichts dieser Situation die Hände nicht in den Schoß legen. Es gibt nach wie vor Initiativen, an denen sie sich beteiligen können, z.B. an einem „Marsch für das Leben“, an einer „Demo für Alle“, an Gebetsprozessionen. Pater Pavlicek hat damit 1955 Österreich von der kommunistischen Herrschaft befreit. Joseph Ratzinger deutete bereits in den 60er Jahren den Ausweg aus der Krise an: „Nur wenn die Kirche anfängt, sich selbst wieder als das darzustellen, was sie ist, wird sie das Ohr der neuen Heiden mit ihrer Botschaft zu erreichen vermögen“… (7)

Quellenangaben

  • „Die neuen Heiden in der Kirche“, Hochland I/59
  • Heilige Messe Pro Eligendo Romano Pontifice (18. April 2005) – Predigt von Kardinal Joseph Ratzinger, Dekan des Kardinalskollegiums, in Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 168
  • Welt & Kirche, Die Tagespost, Beilage vom 30. Dezember 2021 „Protestantisierung der katholischen Kirche in Deutschland?“
  • Walter Brandmüller, in „Die Tagespost“, 9. Dezember 2021, S. 11
  • Gabriele Kuby: „Dein Leib – Dein Zuhause – Über die Wahrung der Einheit über Geist und Körper“, FE-Medienverlag, 2021, S. 48
  • Zitiert nach Prof. Dr. Dr. Ralf Weimann, in MEDIZIN und IDEOLOGIE 03/21, S. 6
  • Joseph Ratzinger, „Das neue Volk Gottes“, Patmosverlag, 1969, S. 325 f und 330