Neuheidnisches Denken kann die Vorgänge in Afghanistan nicht deuten.

Zeitungsüberschriften wie „Chronologie eines beispiellosen Scheitern“ (AZ, 21.08) und „Taliban in Kabul, Wirrwarr in Berlin“ (AZ, 20.08) zeigen die Hilflosigkeit unserer politischen „Macher“ sowie ihr mangelndes Verständnis für fremde Kulturen. Aus der Rückkehr des Ajatollah Chomeini 1979 in den Iran mit der anschließenden Revolution haben sie nichts dazu gelernt. Dass Religion in anderen Kulturen eine lebensbestimmende Kraft ist, bleibt den Gott abgewandten Neuheiden in Westeuropa und USA unverständlich. Ob unsere politischen Verantwortlichen noch lernfähig sind, wird über unsere Zukunft entscheidend sein.

„Was in Afghanistan geschieht, ist ein Desaster“, ist das Interview mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer überschrieben (Augsburger Allgemeine Zeitung, 16.8.21, S. 4).

Seehofer: „Was im Moment in Afghanistan geschieht, ist ein Desaster. Das große Ziel war es, die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern und Stabilität ins Land zu bringen. Heute muss man leider festhalten: Das ist gescheitert. …Die Motivation für den Einsatz in Afghanistan war berechtigt… aber im Ergebnis ist der langfristige Einsatz nach 20 Jahren relativer Stabilität gescheitert. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass man sich damals anders hätte entscheiden müssen… Ich war immer kritisch, was den Einsatz betrifft. Aber mir wurde gesagt, dass deutliche Verbesserungen für die Frauen, für die Bildung, für die Schule erreicht würden. Das habe ich akzeptiert.“ Auf die Frage, war der Westen zu naiv? Die afghanische Gesellschaft ist grundlegend anders.“ Darauf Seehofer: „Es ist eine völlig andere Kultur. Trotzdem sollte man immer wieder versuchen, die Grundwerte, die uns prägen und die uns auch hier in Europa stabile Demokratien beschert haben, in anderen Ländern zu etablieren.“

Wie auch sonst im Leben wird die eigene Motivation, auch, wenn sie noch so gut gemeint ist von Anderen deswegen nicht akzeptiert. Die Verbesserungen für Frauen, Bildung und Schulen werden sicher von einem bestimmten Teil der afghanischen Bevölkerung akzeptiert. Von wie vielen wissen wir nicht.

Wenn Seehofer und viele Europäer und US-Amerikaner meinen, „man sollte versuchen, die Grundwerte, die uns prägen und die auch hier in Europa stabile Demokratien beschert haben in anderen Ländern zu etablieren“ so ist fraglich, wenn das von außen geschieht und mit militärischem Einsatz erzwungen wird. Seehofer hat mit der Feststellung recht: „Es ist eine völlig andere Kultur“. Hier liegt der Schlüssel für das Verständnis. Jede Kultur gründet auf Religion. Auch unsere Grundwerte, z.B. von der Gleichwertigkeit aller Menschen haben ein christliches Verständnis. Selbst wenn das viele Politiker nicht mehr wissen. Vielleicht sollten die politisch Verantwortlichen die in Afghanistan geltende Kultur, die im Koran ihre Grundlage hat, studieren. Ein entscheidender Punkt, der das Unverständnis zu den Vorgängen in Afghanistan erklärt, ist die Tatsache, dass in diesen Ländern Religion, im Gegensatz zu Westeuropa und den USA nicht nur eine dekorative, sondern eine wirkliche Rolle für das alltägliche Leben und auch für die Politik spielt. Religion ist ein Bestandteil der Politik! Peter Scholl Latour, ein Kenner der islamisch geprägten Welt, hat wiederholt darauf hingewiesen und erklärt, dass die Probleme in diesen Ländern nur im Inneren, d.h. unter Berücksichtigung der Kultur, gelöst werden können. Die Tatsache, dass die Taliban sich durchaus auch auf Zustimmung in der Bevölkerung stützen können, erklärt den geringen Wiederstand der Bevölkerung gegen die „Gotteskrieger“. Das neuheidnische Denken von Westeuropäern und US-Amerikanern kann das nicht verstehen.